Rudolf Müller

Die Zimmerin

Die Zimmerin

Im hohen Norden führt Maren Meyer-Kohlus ihren eigenen Betrieb. Dabei versteht sich die Zimmermeisterin und Restauratorin, die Teilnehmerin des FrauenZimmer-Kongress 2019 war, nicht nur auf außergewöhnliche Holzbauten, sondern engagiert sich zugleich für Frauen im Bauhandwerk. Marc Wilhelm Lennartz sprach mit Maren für die bmH bauen mit Holz über ihre Motivation, hauptsächlich Frauen zu beschäftigen, die Diskriminierung von Frauen im Handwerk und über die Stimmung auf Baustellen, wenn Frauen zugegen sind.  
 
Der ausführliche Beitrag erschien in der bmH bauen mit Holz 3.2020. 

Maren Meyer-Kohlus bei der Arbeit

Maren Meyer-Kohlus in ihrem Element. Foto: Maren Meyer-Kohlus

Marc Wilhelm Lennartz: Hallo Frau Meyer-Kohlus. Ihr Arbeitsgebiet befindet sich im hohen Norden Schleswig-­Holsteins, unweit der Nordsee, in einer Region, die eher für den Klinker- und Massivbau bekannt ist. Welchen Stellenwert hat dort der moderne Holzbau? 

Maren Meyer-Kohlus: Ich würde sagen, der moderne Holzbau spielt bei uns eher eine untergeordnete Rolle. Nach außen sichtbarer Holzbau kommt eher bei kleinen Anbauten oder einer Aufstockung mal zum Einsatz, ansonsten versteckt er sich doch zumindest meist hinter einem Verblender oder einer Putzfassade. Aber ich habe mich sowieso – nicht zuletzt mit meiner Qualifikation als Restauratorin – auf Reparaturen im Baubestand orientiert. Dabei kommen auch immer mal wieder besondere Einsätze wie in einem Fischkutter oder auf der einsamen Vogelschutzinsel vor. 

Sie und Ihre Zimmerei zählen zu den wenigen Holzbaubetrieben in Deutschland, die von einer Frau gegründet und geleitet werden und mehrheitlich auch Frauen beschäftigen. Fühlen Sie sich als Pionierin & Wegbereiterin, und ist es Ihnen gelungen, so etwas wie Alltagsnormalität aufzubauen? 

Regional betrachtet würde ich beides mit ja beantworten. Meine erste weibliche Auszubildende bekam 2014 in der Berufsschule (Husum) zu hören, sie sei die erste Frau seit 24 Jahren. Seitdem gab es dort jedes Jahr zumindest eine weibliche Auszubildende im Bereich Zimmerei, allerdings nur eine, die außerhalb meines Betriebs bis zum Abschluss dabei geblieben ist. Die ­Alltagsnormalität kommt letztlich durch Gewöhnung.  Da wir auf Baustellen häufig auf dieselben Firmen der anderen Gewerke treffen, gibt es dort auch eine ganz normale Zusammenarbeit. Auch mit neuen Firmen geht es nach anfänglichen irritierten Blicken meist sehr gut. Vonseiten der Kunden erfahre ich sehr viel Zuspruch. Teilweise sind es Kunden, die es einfach nur toll finden, dass Frauen solche Arbeiten machen, gelegentlich ist es auch eine eher schlechte Erfahrung mit Handwerkern und die Hoffnung, dass Frauen anders arbeiten. Eigentlich grundsätzlich bekomme ich aber als Rückmeldung, dass es selten ist, so viel gute Stimmung und gute Laune auf einer Baustelle zu erleben. 

Immer wieder wird im Handwerk auch der Meisterzwang diskutiert. Sie sind selbst Zimmermeisterin und Restauratorin. Wie beurteilen Sie den aktuellen Stand, insbesondere für Frauen, die sich im Handwerk selbstständig machen wollen, und welche neuen Wege könnten eingeschlagen werden, welche Hürden gilt es zu überwinden? 

Was den Meisterzwang angeht, bin ich ein wenig gespalten. Eigentlich sehe ich den Meistertitel in erster Linie als Qualitätssiegel. Dieses Qualitätssiegel hat aber in meinen Augen an Bedeutung eingebüßt, seit keine Gesellenzeit zwischen Ausbildung und Meisterschule mehr nötig ist. Leider ist lange nicht jede/r in der Lage, für sich selbst zu akzeptieren, dass ein Titel nicht allwissend macht. Die meisten Frauen aus meinem Netzwerk sind, wenn, dann mit einem Reisegewerbe selbstständig.  Bei einem stehenden Gewerbe kommen ja auch sofort diverse Zahlungsverpflichtungen hinzu, die kaum geeignet und leistbar sind für Personen, die ein anderes Lebenskonzept verfolgen als eine Arbeitswoche mit mindestens 40 Stunden. Die Mindestbeiträge für die gesetzliche Rentenversicherung sowie der Grundsatz für die Berechnung der Krankenkassenbeiträge müssten hier in jedem Fall flexibler gestaltbar sein. 

Die Diskriminierung von Frauen im Handwerk wird häufig auf formalrechtliche Regularien, wie etwa das Berufsverbot aus den 1990er-Jahren, reduziert. Doch nach wie vor gibt es strukturelle Diskriminierungen. Wo liegen diese, und was müsste getan werden, um sämtliche patriarchalen Hürden für Frauen im Handwerk zu beseitigen? 

Ich habe das Glück, mal abgesehen von der schwierigen Lehrstellensuche in Hamburg, selbst keinerlei Diskriminierung erfahren zu haben. Zumindest früher wurde oft die Sollbestimmung zu der Forderung nach getrennten sanitären Einrichtungen als Mussbestimmung verstanden oder bewusst vorgeschoben, um keine Frauen oder Mädchen einzustellen – auch damals eine absurde Forderung, denn niemals habe ich auf einer Baustelle getrennte Bautoiletten angetroffen noch wird es erwartet. 

Allerorten wird immer wieder der Fachkräftemangel thematisiert, der in den aktuellen Holzbau-Boomzeiten zu einem ­Nadelöhr der Unternehmensentwicklung geworden ist. Wie sieht es in Ihrem Betrieb aus, und welche Chancen bieten sich der Branche, vermehrt auf Frauen zu setzen? 

Ich habe in meinem Betrieb derzeit keine Probleme. Gut, es gibt natürlich Schwankungen. Mal habe ich das Gefühl, dass es gut ist, dass die nächsten Auszubildenden erst einmal auf Wanderschaft wollen oder anderes nach der Ausbildung planen, da ich ­ohnehin den Betrieb nicht weiter vergrößern möchte. Dann kommt natürlich auch mal die Situation, in der eine Arbeitskraft den Betrieb ­verlässt, und schon sieht es wieder anders aus … 

Für die Ausbildung habe ich eigentlich immer gute Bewerber/-innen. Im Moment haben wir alle drei Lehrjahre belegt. Da ich uns aber auch nicht in der Lage sehe, mehr als eine Person pro Jahr auszubilden, können wir somit aber keine Bewerber/-innen nehmen, die im 2. Lehrjahr einsteigen möchten. Mit den weiblichen Auszubildenden habe ich sehr gute Erfahrungen gemacht. Ich denke, eine junge Frau, die sich entscheidet, in der Zimmerei zu lernen, hat sich ­wirklich überlegt, was sie will, und das ist in der Ausbildung zu spüren. 

Wie erleben Sie als Fachfrau und erfolgreiche Unternehmerin die Zusammenarbeit mit Handwerkskammern und Verbänden? Was läuft gut, und wo gibt es noch Luft nach oben, beispielsweise in der Förderung von Frauen im Handwerk? 

Von einer Förderung von Frauen im Handwerk habe ich noch nichts mitbekommen, so es die vonseiten der Verbände gibt. Die Zusammenarbeit mit der Handwerkskammer des Bundeslandes beschränkt sich weitgehend auf die Ausbildungsverträge. Durch meine Innungsmitgliedschaft und die enge Kooperation der Innung mit der Kreishandwerkerschaft gibt es auf der Ebene eine gute Zusammenarbeit. Aber ich bin immer die einzige Frau und das Thema existiert eigentlich nicht. 

In Ihrer Zimmerei arbeiten selbstverständlich auch Männer. Welche Vorteile bieten gemischte Teams bei der Arbeit, und worauf gilt es bei der Zusammenstellung zu achten? 

Ich glaube, gemischte Teams fördern einen angenehmen Umgang untereinander. Im Moment haben wir mit einem Mann und sechs Frauen nicht mehr wirklich ein ausgeglichenes Verhältnis, aber es funktioniert meistens gut. Bei der Zusammenstellung kommt es mir eher auf Wissen und Fähigkeiten an als auf das Geschlecht. 

Ein Wort zu den Kunden. Haben sich dort spezifische Segmente mit der Zeit herauskristallisiert, oder ist die Bandbreite bunt gemischt, von Privat- über Gewerbekunden bis zur öffentlichen Hand? 

Wir haben derzeit in erster Linie Privatkunden; aber auch die Stadt Tönning oder der Naturschutzbund sind regelmäßige Auftraggeber. 

Abschließende Frage. Seit dem Jahr 2000 organisieren Sie sich mit vielen Handwerkerinnen verschiedenster Branchen –  darunter Zimmerinnen, Tischlerinnen, Maurerrinnen – zu großen Treffen. Was hat sich in all den Jahren verändert, und wie groß ist heute das Interesse von Frauen, in Handwerks- und Technikberufen an vorderster Front zu arbeiten und eben nicht nur im Hintergrund die Büroarbeit zu erledigen? 

Während wir die ersten Jahre, die ich auf den Treffen war, immer etwa 40 Frauen waren, sind es nun mittlerweile über 100 Teilnehmer/-innen. Die ersten Jahre wurden wir vom Bundesministerium gefördert, was es einfacher machte, ein für alle bezahlbares interessantes Treffen zu gestalten. Dann wurden die Förderrichtlinien geändert, und wir gelten nun als zu unbedeutende kleine Gruppe oder mit anderen Worten: Wir wurden zu einer zu kleinen Minderheit erklärt. Nun organisieren wir uns eigentlich immer eine Unterkunft, die uns gegen eine Baustelle zu Beginn des Treffens das Haus kostenfrei zur Verfügung stellt. 

Besten Dank für das Gespräch, Frau Meyer-Kohlus. 

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Das Interview führte Marc Wilhelm Lennartz, unabhängiger Fachjournalist, Referent & Buchautor, www.mwl-sapere-aude.com.